Emma6

„Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert!“

Dieser Satz war die Catchphrase von John „Hannibal“ Smith, der immer, wenn er sie am Schluss einer Folge „A-Team“ verkündete, genüsslich auf seinem Zigarrenstumpen herumkaute. Man selbst schaute ihm dabei zu, lernte von Vorabendserien sowas wie: Pläne machen, heißt die Welt gestalten. Und jeder Plan geht am Schluss auf. Voran, voran.

Irgendwann später kam er aber: Der Moment, in dem klar wurde, viele eigene Pläne – große wie kleine – haben sich gar nicht erfüllt, werden es möglicherweise nie tun. Man trägt sie mitunter noch mit sich herum oder hat sie gar unterwegs irgendwo verloren.

„Jetzt sitzt er leblos im Büro / und steht für andere Leute Schmiere / Alle Träume waren seine / dann kam der große Schlaf.“ (EMMA6)

EMMA6 haben ein Album gemacht darüber. Es erzählt in 11 Songs von Hoffnung, Verlust, Erlösung. „Alles Teil des Plans“ ist Soundtrack zu einer intensiven Auseinandersetzung mit sich selbst – und dabei gleichermaßen schonungslos wie tröstlich. Sehnsuchtsvoller Indie-Pop und Katharsis. Doppelten Boden gibt’s woanders, hier geht’s um alles, Leute. Für Songschreiber Peter Trevisan war diese Perspektive alternativlos. Die Band, die außer ihm noch aus seinem Bruder Henrik und Jugendfreund Dominik Republik besteht, hat sich Mut gefasst und den eigenen Plänen ins Auge geblickt:

„Zwischen dem, was man sich vornimmt / und dem, was daraus wird / steht viel zu oft ein Leben / das sich dafür nicht interessiert.“ (EMMA6)

Wie kann es weitergehen mit dem Musikmachen, wenn man sein Leben nicht im Dispo oder in tausendfach getaggten Stockbetten eines Konzert-Venues sieht? Wie kann man seine Leidenschaft bewahren, auch wenn sich nicht mehr alles um Wochenend-Ausfahrten, Merch und Cola-Rum dreht? Was für Lieder will man schreiben, die anderen aber vor allem einem selbst noch aus dem Herzen sprechen? Und natürlich: Wohin im täglichen Leben mit all dem Rock’n’Roll?

„So viele Möglichkeiten / Immer ist höchste Zeit, um irgendwas zu ändern / doch würde das was ändern?“ (EMMA6)

EMMA6 haben also alle Möglichkeiten auf den Tisch gepackt und festgestellt: Es gibt einfach zu viele! Peter schrieb sogar erfolgreiche Songs für bekannte Schlagermusiker, einfach weil er es konnte – doch diese Welt der professionellen Gefühle in beliebten Tonarten passte nicht zu dem nuancenreichen Songwriter. Außerdem… für jeden Weg, den man beschreitet, lässt man unzählige andere vorbeirauschen. Und genau das ist die Story einer unglaublich einfühlsamen Platte: Planen, verwerfen, hadern, probieren, dran glauben. „Alles Teil des Plans“ ist ein echter Trip, bittersüß as fuck.

Wobei vor allem die emotionale Dichte ihrer vierten Platte wirkt, als wäre alles an einem Ort, in einem Moment erschaffen worden. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Die drei friends haben – mit Hilfe von Best Boy und Live-Gitarrist Florian Szcesny sowie ihrem Herzens-Produzenten David Maria Trapp – die Arbeit an dem Album in mehrere Etappen, unterschiedliche Studios und drei EPs eingeteilt. Jetzt und hier fließt alles nun endlich zusammen. Dazu gehört auch das Visuelle. Allein dieser Clip zum Song „Überwintern“, wenn dort der Protagonist durch einen Wald irrt. Mischung aus Schneewittchen und lost im Auenland. Von dem Text des Songs habe ich mich durch diese Covid-Zeit leiten lassen. Keine Ahnung, ob er sich überhaupt drauf bezieht, aber für mich war es so, wenn EMMA6 von einem stillen Jahr erzählen – doch „es ist nur so still / weil es dir was sagen will“.

Wie viel Wow-Momente auf eine Platte passen? Diese Band hat es ausgelotet.

EMMA6 sind das A-Team des Zweifelns, sind Honig auf die Wunden, sind Chronisten eines fragilen Erlebnisparks der 1000 Möglichkeiten – und ihre neue Platte rettet einem mehr als nur ein bisschen das Leben. Danke dafür.

Text: Linus Volkmann

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